Testberichte

2. Softwaretest: Elektronischer Atlas AmiATLAS 6 (von Christian Aichinger)

Alle Welt sprach zu Beginn der letztjährigen Kölner Amiga-Messe über Amiga- Emulation, PowerPC, PCI und diverse Spiele-Portierungen aus der Wintel- Welt. Sozusagen als Underdog verschaffte sich das neue Release von AmiATLAS auf den Messeständen der Aussteller ihren Platz. Nach dem Ausscheiden des hauptverantwortlichen Programmierers Andreas Regul und der Übernahme der Weiterentwicklung durch Gerd Frank erschien doch tatsächlich die neue Version 6 punktgenau zum Messetermin. Gut 2 Monate später landete ein Testexemplar im Briefkasten der AMIGA-aktuell-Redaktion.

Erster Eindruck:

Gut schaut sie aus, die DVD-Verpackung und der bunt bedruckte Silberling, der nach kurzer Begutachtung im CD-ROM-Laufwerk meines Rechners verschwand. Tja, etwas Gedrucktes war der Verpackung nicht zu entnehmen. Macht nichts, als Amiga-User ist man Schlimmeres gewöhnt und außerdem verweist die Beschreibung der Verpackung auf die Programmdokumentation, die sich auf der CD befindet und als englisch- und deutschsprachiges AmigaGuide-File vorliegt.

Die Piktogramme liegen größtenteils im Color-Icon-Format vor und hinterlassen auf einer Workbench ab V3.5 einen optisch ansprechenden Eindruck. Die CD ist mit fast 570 MB gut gefüllt - obwohl, dies natürlich kein Ausdruck für die Qualität darstellt.

Voraussetzungen:

Die Anforderungen an die Hardware sind moderat: Ein Amiga mit OS 3.0, 68020 CPU, 6 MByte freiem Hauptspeicher und 10-20 MByte freiem Festplattenspeicher genügen laut Anleitung. Dass bei so geringem Ressourcen-Einsatz kein echter Spaß aufkommt, sollte jedem klar sein. Lustig wird's ab einem flotten 68030, 16-32 MByte freiem RAM, einer Grafikkarte und, damit nicht ständig die CD ins Laufwerk gelegt werden muß falls mal eine andere Karte benötigt wird, einer dicken Festplatte. Für eine Komplettinstallation werden etwa 600 MByte freier Plattenspeicher benötigt. AmiATLAS kann neuerdings aber auch ohne vorherige Installation direkt von der CD gestartet werden. Einer Verwendung von AmiATLAS auf Draco-Rechnern oder Amiga-Emulationen soll ebenfalls nichts im Weg stehen.

Installation:

Die Installation erfolgt problemlos und bequem via Amiga-Installer in den Sprachen Englisch und Deutsch. Die Installation der Standard-Dateien dauert etwa 2 Minuten - eine Komplettinstallation wird in ca. 20-40 Minuten erledigt. Eine kleine AmigaGuide-Datei "Hinweise" (bzw. Hints) gibt noch einige allgemeine Tips und Hinweise zur Installation, dem Kartenmaterial, Copyrights, Updates bzw. Update-Möglichkeiten von älteren Versionen, einigen Besonderheiten und den benötigten Systemvoraussetzungen.

Nachdem die Installation abgeschlossen wurde, kann AmiATLAS (ohne vorherigen Neustart) sofort von der Festplatte gestartet werden. Ein vorheriges "Assign", wie in früheren Versionen üblich, wird nicht mehr benötigt. Falls vorher eine ältere Version von AmiATLAS installiert war, kann ein gegebenenfalls in der User-Startup eingetragenes Assign entfernt werden. Ein weiterer Punkt, der beachtet werden sollte: Im neuangelegten AmiATLAS-Verzeichnis befindet sich eine Schublade namens "Manual", die die Programmdokumentation enthält. Damit die Hot-Help-Funktion von AmiATLAS korrekt funktioniert, muß diese Schublade in "HELP" umbenannt werden.

Neues:

Zu den größten Neuerungen, die das Update verspricht, gehört das Vorhandensein aller jemals kommerziell vertriebenen Zusatzkarten, dem Plugin AmigaAUTO und dem Bonusprogramm AmigaKONTO.

AmigaAUTO ist ein Plugin für AmiATLAS, mit dem mehrere Fahrzeugtypen für die Verwendung in Routenberechnungen definiert werden können. So lassen sich neben dem heimischen 7er-BMW (schön wär's ;-) ), der im Drittelmix etwa 15 l Diesel schluckt, zusätzlich das Motorrad (6 Liter Normal) oder der Corsa der Gattin (5 Liter Super) für Berechnungen definieren. Möchte nun die Gattin mit ihrem Opel an die Ostsee, braucht sie nicht jedesmal neue Verbauchsangaben oder Spritpreise angeben, sondern nur noch die Definition ihres Fahrzeugs im Routen-Berechnungs-Requester auswählen. Nebenbei können wichtige Daten und Termine für ASU, TÜV und Kilometerstand angegeben und Verbrauchsstatistiken sowie grafische Auswertungen über den Benzinverbrauch ausgegeben werden.

Das Programm AmigaKONTO hat im Grunde genommen nicht viel mit AmiATLAS zu tun. Vielmehr sollte dieses Programm als eine Art Bonus angesehen werden. Mit AmigaKONTO können Bankkonten und Kontenbewegungen verwaltet und ausgewertet werden. Es wird nicht, wie das Plugin AmigaAUTO, in AmiATLAS eingebunden, sondern versteht sich als eigenes, externes Programm. Eine deutsche AmigaGuide-Anleitung erklärt alle Möglichkeiten ausführlich, und ein umfangreicher Workshop erklärt Schritt für Schritt die genaue Funktionsweise.

Der Hauptdarsteller AmiATLAS 6 präsentiert sich nach dem Start im bekannten Look&Feel der Vorgängerversion.

Optische Neuerungen als auch Funktionen (abgesehen vom Menü "Fahrzeug", das durch das Plugin AmigaAUTO erzeugt wird) sind kaum zu finden. Einige Menüpunkte wurden umbenannt bzw. in anderen Menüs untergebracht. Zum Teil wird in der Anleitung noch die Bezeichnung der alten Menüpunkte verwendet, was manchmal zu Verwirrungen führen kann.

Die Änderungen am eigentlichen Programm sind vornehmlich interner Natur. Abstürze aufgrund zu optimistisch gesetztem Stacks sollten der Vergangenheit angehören. Die Geschwindigkeit wurde in einigen Programmpunkten um bis zu 30 % verbessert (z.B. das Berechnen von Routen). Der Ausdruck von Karten unter Verwendung einer Grafikkarte wurde implementiert. Es wird das Locale-System des Betriebssystems anstatt der internen Programm-Lokalisierung verwendet. Catalog-Dateien für die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Niederländisch werden automatisch installiert. Das vorher benötigte Programm-Assign wurde entfernt und es werden CPU-optimierte Programmversionen (für 68020, 68040 und 68060) mitgeliefert. Von auslager- als auch freikonfigurierbaren Dock- Leisten war, genauso wie von freikonfigurierbaren Menüs, leider nichts zu entdecken. Zumindest noch nicht: Laut Anleitung wurden einige Funktionen wegen mangelnder Programmstabilität vorerst wieder entfernt. Das Entwicklerteam verspricht baldige Besserungen bei kommenden Updates.

Apropos Programmstabilität: Wer Probleme mit der auf der CD ausgelieferten Programmversion hat, sollte unbedingt das Rekompilat, das Gerd Frank an registrierte Anwender von AmiATLAS per E-Mail verschickt hat, verwenden. Zumindest mit meiner Konfiguration gab es häufig aus unerfindlichen Gründen Programmabstürze. Seitdem hier die mit SAS/C rekompilierte Version ihre Arbeit verrichtet, hat sich die Programmstabilität wesentlich verbessert.

Den Höhepunkt der neuen Version 6 stellt mit Sicherheit das mitgelieferte Kartenmaterial dar. So wird mit Hilfe dieser Daten fast komplett Europa abgedeckt. Leider sind die Karten nicht topaktuellen Datums und sehr unterschiedlicher Qualität im Bezug auf Orts- und der Straßendichte. So zum Beispiel wird die A71 ("Thüringer-Wald-Autobahn", die im Moment von Erfurt bis Ilmenau verläuft) noch nicht berücksichtigt. Aufgrund dessen vermute ich, daß auch weitere neue Straßen noch nicht in das Kartenmaterial eingeflossen sind. Allerdings sollte man hier auch etwas Nachsicht walten lassen. Die schwierige finanzielle Lage von Entwicklern, die sich dankenswerterweise immer noch um Amiga-Rechner kümmern, läßt es einfach nicht zu, geographische Koordinaten kompletter Atlanten abzutippen. Und mit einem Alter von etwa einem Jahr sind die Daten keinesfalls "obsolet". Schließlich verschwindet eine Autobahn oder Bundesstraße nur sehr selten ;). Die Kartenbearbeitungsfunktionen, die AmiATLAS schon seit den ersten Versionen bietet, lassen geographisch ambitionierte Anwender außerdem nicht im Stich. Die nachträgliche Bearbeitung einer Karte ist nach wie vor problemlos möglich.

Speziell für Deutschland interessant: Es gibt neben der Standard- und der Spezial-Karte für jedes Bundesland eine eigene, sehr detaillierte Karte. Diese einzelnen Karten lassen sich wiederum mittels AmiATLAS zu einer neuen Deutschlandkarte zusammenfügen, welche dann fast 94000 Ortschaften und fast 140000 Straßen darstellen kann, was wiederum einem Straßennetz von fast 290000 km Länge entspricht.

Die drei Deutschland-Karten "Germany", "Germany_global" und "Germany_special" ermöglichen es dem Anwender, zusätzliche Informationen einer Stadt über das Internet einzuholen. Dazu wurden diese Karten mit zahlreichen "Infopunkten" gespickt. Klickt man nun auf solch einen Punkt wird automatisch der vorkonfigurierte Webbrowser mit der zugehörigen URL gestartet.

Im Vergleich zu früheren Versionen wurden hier viele zusätzliche Ortschaften berücksichtigt. Hotelführer als auch Freizeitpark-Infos (AmigaGuide-Dateien zu Hotels in wichtigen deutschen Ortschaften bzw. diversen Freizeitparks) werden ebenfalls nur für die speicherintensiveren Deutschlandkarten zur Verfügung gestellt. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz befindet sich weiterhin ein Städteführer, der mit vielen Grafiken und teilweise interessanten Informationen zu verschiedensten Ortschaften und Sehenswürdigkeiten aufwartet, im Lieferumfang. Ebenfalls für die Länder Schweiz, Österreich, Belgien und die Niederlande sind - zusätzlich zu den Standardkarten - spezielle Karten vorhanden, die eine wesentlich höhere Orts- und Straßendichte bieten. Für die meisten Karten werden zudem Tourismusinfos mitgeliefert. Dabei handelt es sich um eine direkt aus AmiATLAS aufrufbare AmigaGuide-Datei, die die wichtigsten Informationen zur Einreise, Zoll, Umrechnungskursen und anderen Dingen beschreibt.

Da es hier einfach zuviel wäre, jede Karte ausführlich zu beschreiben folgt eine stichpunktartige Übersicht des Kartenmaterials:

Was kostet die Welt?

Rechnet man schnell mal die Kosten, die bei der früheren Lizenzpolitik auf den Anwender zugekommen wären, zusammen (um die 500,- Euro) kann man bei den 55,- Euro, die die Version 6 nun kostet, von einem echten Schnäppchen sprechen - sofern der Anwender tatsächlich auf alle zusätzlichen Karten angewiesen ist. Das Plugin AmigaAUTO ist ebenfalls nicht für jeden sinnvoll. Für Anwender, die mehr als ein Fahrzeug ihr Eigen nennen, stellt es aber eine sehr nützliche und komfortable Erweiterung dar.

Fazit:

Einen wirklichen Versionssprung stellt AmiATLAS noch nicht dar. Dafür wurden zu wenige Änderungen am eigentlichen Programm vorgenommen. Die Bezeichnung "AmiATLAS DC" (directors cut) oder "AmiATLAS Compilation" wäre im Moment noch angebrachter. Nichtsdestotrotz: AmiATLAS 6 entspricht einer sehr preisgünstigen Möglichkeit, an alle Zusatzkarten und zudem das Plugin AmigaAUTO zu gelangen. Viele kleine - aber dennoch lästige - Bugs wurden entfernt, und die Benutzerführung als auch Installation ist vorbildlich.

Bezugsquelle:

Bestellt werden kann AmiATLAS 6 entweder direkt auf der Homepage (http://go.to/amiatlas) oder aber auch bei jedem Amiga-Versandhändler.

Nachtrag bei Redaktionsschluss:

Nur die erste Auflage der AmiATLAS-CD benötigt die Änderung des Verzeichnisnamens "Manual" in "Help". Leider erhielten wir die Erstausgabe. In der aktuellen Version sieht es nach Aussage Gerd Franks folgendermaßen aus: Wenn die Anleitung nicht gefunden werden konnte, öffnet AmiATLAS einen Filerequester, mit dessen Hilfe der Anwender die Programmdokumentation auswählen kann. Wenn AmiATLAS beendet wird, wird auch der Dateipfad wahlweise in den Voreinstellungen gespeichert.

Im Review wurde nicht erwähnt, daß auch nach deutschen Postleitzahlen und Telefonvorwahlen gesucht werden kann. Desweiteren ist es in der aktuellen Auflage möglich, AmigaAUTO (als auch AmigaPLZ und AmigaAVON) als eigenständiges Programm zu verwenden. Es ist also nicht nötig, diese Plugins extra in die Programmumgebung von AmiATLAS einrichten zu lassen, um sie verwenden zu können.

Eine Neuauflage der Anleitung ist in Arbeit und sollte gegen Ende Januar oder Anfang Februar in Form eines internationalen Updates erhältlich sein. Zudem wird es komplette Übersetzungen der Programmdokumentation in Englisch, Französisch und Italienisch geben. Zusatztexte sollen dann ebenfalls in den genannten Sprachen verfügbar sein.

Da es fünf Tage vor dem Messetermin zu einem Datencrash kam, konnte noch keine neue Programmoberfläche in AmiATLAS integriert werden. Im kommenden Update wird das konfigurierbare Dock enthalten sein. Frei konfigurierbare Menüs werden erst in späteren Updates folgen. Es wird weiterhin höchstwahrscheinlich noch Änderungen am momentanen Lokalisierungssystem geben.

Das AmiATLAS-Team steht im Moment in Lizenzverhandlungen mit Map&Guide (http://www.mapandguide.com), um AmiATLAS-Anwendern aktuelles Kartenmaterial zur Verfügung stellen zu können. Bisher scheinen diese Verhandlungen aber an den immensen Lizenzkosten zu scheitern. Trotzdem sollten sich AmiATLAS-Anwender in dieser Hinsicht auf eine Überraschung einstellen.

Das Update von V5 auf V6 kostet 40,- Euro. Die Versandkosten liegen innerhalb Deutschlands pauschal bei 5,- Euro - egal ob Vorkasse oder Nachnahme. Von älteren Versionen als V5 gibt es keine Update-Möglichkeit.

Diese werden kostenlos nur an registrierte Anwender via E-Mail versandt. Dazu muß die Seriennummer und die Adresse des Anwenders dem AmiATLAS- Entwicklerteam mitgeteilt werden. Gegen einen Unkostenbeitrag von 10,- Euro (inklusive Versand) und der Einsendung der Original-CD werden aktualisierte Auflagen auch auf CD-ROM verschickt.

Christian Aichinger <christian@aakt.de>